Aus Klärschlamm entstehen Strom und Wärme

Das Hauptklärwerk Mühlhausen wurde heute um ein weiteres Stück modernster Anlagentechnik erweitert. Der Minister für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft in Baden-Württemberg, Franz Untersteller, und der Technische Bürgermeister, Dirk Thürnau haben gemeinsam die neue hochmoderne Klärschlammfaulung mit angeschlossenem Blockheizkraftwerk in Betrieb genommen.





Die mittlerweile dritte Generation von Faulbehältern mit einem Gesamtinhalt von 21 400 Kubikmetern zeichnet sich durch modernste Technik mit Vorentwässerung, effizienter Wärmenutzung und Ausfaulung aus. Das Verfahren verbessert die Betriebssicherheit der Schlammentsorgung und ermöglicht eine optimale Klärgaserzeugung. Dabei werden höchste Umweltstandards eingehalten.

Der Klärschlamm fällt als Endprodukt der mechanisch - biologischen Abwasserreinigung im Hauptklärwerk Mühlhausen an. Dabei werden Stickstoffe und Phosphor weitgehend eliminiert. Ein Sandfilter als letzte Reinigungsstufe entnimmt dem Abwasser die noch verbliebenen Schwebstoffe. Die dabei anfallenden Reststoffe wie Klärschlamm, Rechengut und Fett werden vor Ort thermisch verwertet.

Vor der Verbrennung kommt jedoch die neue Anlage zur Klärschlammfaulung mit modernster Technik zum Einsatz. Hier wird der Klärschlamm in einer so genannten mesophilen Faulstufe ausgefault oder vergärt, das heißt, der Schlamm wird erwärmt, um das Wachstum von Faulbakterien zu ermöglichen. Dazu wird der flüssige Überschussschlamm aus den Nachklärbecken in zwei Zentrifugen mechanisch vorentwässert und zusammen mit dem Primärschlamm aus den Vorklärbecken als Rohschlamm in die beiden 32,5 Meter hohen Faulbehälter gepumpt.

Die Schlammfaulung selbst findet anaerob, das heißt unter Sauerstoffausschluss statt. Die Faulzeit beträgt rund 15 Tage. Die Feststoffe im Rohschlamm bestehen zu rund 70 Prozent aus organischen Substanzen wie Kohlehydrate, Fette und Eiweiße. Die im Rohschlamm bereits vorhandenen Mikroorganismen werden bei einer Faulbehältertemperatur von zirka 35 Grad weiter “gezüchtet“, leiten die Faulung ein und bauen die organischen Stoffe ab. Bei diesem Prozess wird Klärgas mit einem hohen Energiegehalt erzeugt. Es besteht zu 62 Prozent aus Methan und zu

38 Prozent aus Kohlendioxid.

Der Heizwert des Klärgases beträgt etwa sechs Kilowattstunden pro Kubikmeter. Im Vergleich dazu besitzt das bei uns übliche, importierte Erdgas zehn Kilowattstunden pro Kubikmeter. Das Klärgas wird im Regelfall zum Betrieb der Blockheizkraftwerksanlage eingesetzt, um daraus Strom und Wärme zu gewinnen. Dies geschieht über eine Kraft-Wärme-Kopplung, das heißt, dem Einsatz von Verbrennungsmotoren gekoppelt mit Stromgeneratoren sowie der Nutzung der Abwärme (Blockheizkraftwerk).

Die neue Anlage in Mühlhausen hat eine elektrische Leistung von insgesamt  1 600 Kilowatt, produziert Strom und Wärme und macht das gesamte Klärwerk zu weiten Teilen - vor allem im Wärmebereich - energieautark. Das gewonnene Klärgas wird in den beiden Gasbehältern zwischengespeichert und anschließend im neuen Blockheizkraftwerk zu Strom und Wärme umgewandelt. Der dabei erzeugte Strom wird in das klärwerkseigene Stromnetz eingespeist. Die anfallende Wärme wird über Wärmeaustauscher zur Aufheizung der Faulbehälter genutzt und gelangt über das Nahwärmeverbundsystem zu den Wärmeverbrauchern im Klärwerk. Klärgas gehört zu den erneuerbaren Energieträgern: sein Gebrauch schont die fossilen Ressourcen sowie den Geldbeutel der Stadt und schützt die Umwelt. Das ursprüngliche “Abfallprodukt“ Klärgas kann auf diese Weise sinnvoll verwertet werden. Der ausgefaulte Schlamm wird nochmals entwässert und dann im Wirbelschichtofen verbrannt.

Mit dem Verfahren der Klärschlammfaulung hat die Stadt Stuttgart erstmals vor über 70 Jahren begonnen. In den Jahren 1936 bis 1940 entstanden auf dem Gelände die ersten drei mit Warmwasser-Heizschlangen beheizbaren Faulbehälter: damals mit einem Gesamtinhalt von nur 4 950 Kubikmeter. Der ausgefaulte Klärschlamm wurde auf Schlammtrockenfeldern getrocknet und in der Landwirtschaft verwertet. Das Klärgas wurde, soweit es nicht auf dem Klärwerk Verwendung fand, über eine Rohrleitung dem Gaswerk zur Mischung mit dem Stadtgas zugeführt. In den Nachkriegsjahren fuhr sogar der städtische Fuhrpark mit Klärgas als Treibstoff.

Eine Erneuerung der Faulbehälter fand in den 1950er-Jahren statt. Es entstanden von 1957 bis 1963 drei Faulbehälter mit einem Inhalt von insgesamt
22 500 Kubikmeter. Das Klärgas wurde damals gespeichert und zur Beheizung von Faulbehältern und Betriebsräumen genutzt. Mit Beginn der Schlammverbrennung im Jahr 1962 fand es auch hier seine Verwendung.

Fakten und Zahlen zur neuen Klärschlammfaulung


Die neue Anlage zur Klärschlammfaulung besteht aus zwei 32,5 Meter hohen zylindrischen Faulbehältern, der Inhalt fasst insgesamt 21 400 Kubikmeter Schlamm.

Weiter gehören dazu: ein Dünnschlammpumpwerk mit zwei Betriebspumpen zu den Zentrifugen, ein Rohschlammpumpwerk und ein Heizschlammpumpwerk zur Beheizung der Faulbehälter, zwei Zentrifugen zur maschinellen Überschussschlammeindickung vor der Faulung und zwei Wärmetauscher zur Schlammerwärmung der Faulung.

Die Stadtverwaltung plante die Anlage seit dem Jahr 2003. Mehr als 50 Büros und Firmen waren unter Federführung des Tiefbauamts, Eigenbetrieb Stadtentwässerung (SES), an der Planung und Ausführung der Baumaßnahmen beteiligt. Baubeginn war 2008.

Für den Bau wurden 5 300 Kubikmeter Stahlbeton, 1 700 Kubikmeter Spannbeton sowie 1 000 Tonnen Bewehrungsstahl und 66 Tonnen Spannstahl benötigt. Der Faulbehälterkopf (Gasraum) ist als Schutz vor Schwefelsäurekorrosion innen mit Polyurethan beschichtet. Die wichtigsten Rohrleitungen umfassen 1 600 Meter und bestehen aus speziellem Edelstahl für Gas- und Schlammleitungen.

Das angeschlossene Blockheizkraftwerk wandelt die jährlich erzeugte Klärgasmenge - die etwa drei Millionen Liter Heizöl entspricht - in zirka 10 000 Megawattstunden Strom im Jahr um. Die Gesamtkosten des Projekts mitsamt Technik und Außenanlagen belaufen sich auf rund 30 Millionen Euro. Die gesamte Anlage ist vollkommen abgeschlossen und arbeitet ohne Geruchsemissionen.



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